Virtuelle Zusammenarbeit: Schritt für Schritt zu einer Remote-first Kultur

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Virtuelle Zusammenarbeit wird weiterhin Bestandteil unserer Arbeit bleiben, auch wenn ein Großteil der Mitarbeiter dauerhaft zurück in ihr Büro kehren wird. In diesem Beitrag erfährst du, warum ihr künftig eine andere Form der Zusammenarbeit braucht.

Technik und Tools allein reichen nicht

Mit dem ersten Lockdown im März 2020 mussten viele Unternehmen schnell reagieren. Bedenken und Einwände über Bord werfen. In Rekordgeschwindigkeit Tools anschaffen und Mitarbeiter mit Infrastruktur versorgen. Um den Laden irgendwie am Laufen zu halten. Und es lief besser als erwartet.

Doch nach einer steilen Lernkurve und unermüdlichem Aktivismus erlebe ich vielerorts auch Ernüchterung und Erschöpfung. Ständig neue Tools, Datenschutzanforderungen und Prozesse, die nicht optimal funktionieren. Ein Kollaborationstool macht eben noch lange keine Kollaboration.

Oft fehlt noch immer das nötige Wissen, wie die Tools und Kanäle zielführend eingesetzt werden. Individuelle Vorlieben sorgen regelmäßig für Konflikte. Einige Teammitglieder fühlen sich abgehängt und ziehen sich innerlich zurück. Wissenstransfer und Teamgeist leiden.

Doch alle zurück ins Büro zu pfeifen, ist nicht die Lösung. Die Vorzüge von virtueller Zusammenarbeit lassen sich nicht mehr von der Hand weisen. Und die einmal liebgewonnene Freiheit des selbstbestimmten Arbeitens möchte nicht jeder kampflos aufgeben. Es wird also weiterhin remote arbeitende Mitarbeiter geben.

Eine neue Form der Zusammenarbeit

Wie können wir unsere Arbeitsräume und unser Miteinander künftig am besten gestalten? Was für euch die richtige Form der Zusammenarbeit ist, hängt von vielen, verschiedenen Faktoren ab:

  • Seid ihr bereit, nicht nur in Technik und Infrastruktur, sondern auch in eure Mitarbeiter zu investieren?
  • Wie viel Freiraum werden die einzelnen Teammitglieder künftig bei der Wahl ihres Arbeitsorts haben?
  • Wird es möglich sein, je nach Tätigkeit, Bedürfnis und individueller Situation unterschiedliche Angebote in Anspruch zu nehmen?
  • Bist du bereit, dich als Berater und Förderer deines Teams zu verstehen?
  • Kannst und willst du künftig mehr Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse an dein Team abgeben?

Remote-freundlich versus Remote-first

Zunächst müssen wir klären, ob wir unsere Arbeit künftig eher Remote-freundlich oder Remote-first gestalten.Remote-freundlich  bedeutet, dass die Arbeit überwiegend in den Räumlichkeiten des Unternehmens stattfindet. Teammitglieder haben jedoch die Möglichkeit, hin und wieder im Home-Office zu arbeiten.

Remote-first hingegen zielt darauf ab, dass virtuelle Zusammenarbeit zum Standard wird. Es bedeutet nicht, auf Präsenzarbeit im Unternehmen zu verzichten. Es werden punktuell auch weiterhin physische Räume bereitgestellt. Der Schwerpunkt liegt jedoch klar in der virtuellen Zusammenarbeit.

Beide Modelle haben Vor- und Nachteile. Remote-first ist jedoch ein klares Bekenntnis für eine neue Arbeitswelt und mit einem Kulturwandel verbunden. Nur so können wir eine 2-Klassen Gesellschaft aus „vor Ort“ und „remote“ Arbeitenden vermeiden. Remote Arbeitende dürfen sich nicht vom Rest des Teams abgeschnitten oder weniger wichtig fühlen.

Commitment des Teams

Remote-first ist das Commitment des Teams, alles Notwendige zu tun, damit Kollegen, die unterwegs, an anderen Standorten oder im Home-Office arbeiten, die gleiche Wertschätzung erhalten wie Kollegen vor Ort in der Zentrale. Dafür brauchst du neben den entsprechenden Tools vor allem ein bestimmtes Mindset.

Du benötigst Prozesse und Vereinbarungen, um sicherzustellen, dass geteiltes Wissen jedem zur selben Zeit zur Verfügung steht. Und Rituale, um den Teamzusammenhalt zu stärken und die Verbindung zueinander nicht abreißen zu lassen.

Wie gut und in welchem Grad ihr dies umsetzen könnt, hängt maßgeblich von der Bereitschaft ab, eine gemeinsame Lernreise anzutreten. Dinge auszuprobieren und ehrlich zu reflektieren.

Qualität der Zusammenarbeit

Bevor ihr euch als Team neu ausrichtet, lohnt sich eine intensive Retrospektive. So vermeidet ihr, bei der Rückkehr in die Büros einfach wieder in alte Muster zu verfallen.

Stellt euch einmal folgende Fragen:

  • Wie war die Qualität eurer Zusammenarbeit vor dem ersten Lockdown?
  • Was hat gut funktioniert, was war vielleicht schon damals nicht optimal?
  • Habt ihr euch regelmäßig über eure Zusammenarbeit ausgetauscht?
  • Wie effektiv waren eure Präsenz-Meetings?
  • Gab es eine gute Kommunikations- und Feedbackkultur?
  • Wie respektvoll wurde im Team mit Andersartigkeit umgegangen?

Defizite in der Zusammenarbeit werden beim Arbeiten auf Distanz noch einmal verstärkt. Eine Reflexion hilft, herauszufinden, was ihr als Team gerade braucht und wo auch individuelle Bedürfnisse mehr berücksichtigt werden könnten.

Distanz verstehen und überwinden

Distanz ist weit mehr als der physische Abstand zwischen Menschen. Sie entsteht vor allem in unseren Köpfen. Es gibt viele Formen der Distanz, die auch Mitarbeiter in reiner Präsenzkultur betreffen können. Vielleicht hast du selbst auch schon erlebt, dass dir Kollegen aus anderen Abteilungen menschlich näher sind als der introvertierte Team-Kollege aus dem Nachbarbüro.

Auch verschiedene Hierarchien, soziale Unterschiede, andere Kulturen und die Nutzung verschiedener Medien können Distanzen vergrößern. Die Arbeit in verteilten Teams können diese Distanzen aber noch verstärken. Erst wenn wir ein Bewusstsein dafür entwickeln, können wir wirksam dagegen vorgehen.

Was ihr jetzt tun könnt

1. Reflektiert eure bisherige Zusammenarbeit

Nach den hinter euch liegenden Monaten im Home-Office während des Lockdowns kann dein Team auf wertvolle Erfahrungen zurückblicken. Nun gilt es, diese mit den künftigen Anforderungen in Einklang zu bringen: Welchen Einfluss hat die eingeschränkte Rückkehr in die alten Büroräumlichkeiten auf eure Zusammenarbeit? Wie verändert sich die Nutzung der Räumlichkeiten wegen Hygienevorschriften und Abstandsregeln? Wie könnt ihr eure bisherigen Erfahrungen sinnvoll für einen Neustart nutzen? Wo liegen neue Möglichkeiten?

2. Lernt von den Pionieren

Unternehmen wie Atlassian, GitLab und Automattic arbeiten seit Jahren remote und machen uns vor, wie Zusammenarbeit im Sinne einer Remote-first Kultur gelingen kann. Aber auch die eigenen Kollegen aus anderen Unternehmensbereichen können wertvolle Sparringspartner sein. Frage aktiv nach, welche Erfahrungen sie bisher mit der virtuellen Zusammenarbeit machen konnten. Ideen zu teilen, ist immer eine gute Idee.

Wie bei der Einführung von Agilität ist es allerdings wenig hilfreich, Prozesse, Tools und Methoden einfach unreflektiert zu kopieren und anzuordnen. Anstatt „Best Practices“ vorzugeben, solltest du dich gemeinsam mit deinem Team über „Good Practices“ austauschen und schrittweise Neues ausprobieren.

3. Erstellt eine Team Charta

Verständigt euch im Team zunächst gemeinsam über die Rahmenbedingungen und gegenseitige Erwartungen. Sprecht über gemeinsame Werte, Rollen, Prozesse, Teamziele und Erfolgsfaktoren. Haltet die Ergebnisse in Form von grundlegenden „Spielregeln“ fest. Auch die Auswahl und Nutzung von Tools sollte gemeinsam ausgehandelt werden.

Nachdem ihr gemeinsam festgelegt habt, was euch in eurer Zusammenarbeit wichtig ist, könnt ihr den Status Quo regelmäßig hinterfragen und messen. Die gemeinsame Arbeit an der Qualität eurer Zusammenarbeit hilft euch dabei, euch kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Eine Team Charta ist kein Gesetzbuch, sondern soll als Orientierung dienen. Regeln und Prozesse, die sich in der Praxis nicht bewähren, werden abgeschafft und erneuert. Hier findest du 3 verschiedene Methoden, eine Team Charta zu erstellen.

4. Passe deinen Führungsstil an

Vertrauen ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, wenn du Mitarbeiter führst. Durch die fehlende Anwesenheit einiger Teammitglieder entsteht bei dir vielleicht ein Gefühl von Kontrollverlust. Du weißt nicht mehr, was diese aktuell machen. Versuche daher bewusst, Mikromanagement zu vermeiden und nicht jeden Arbeitsschritt kleinteilig vorzugeben.

Setze lediglich den Rahmen und kommuniziere deine Erwartungen bezüglich des Ergebnisses. Gib allen Teammitgliedern einen großzügigen Vertrauensvorschuss.

Bei hybrider Zusammenarbeit mit verteilten Teammitgliedern gibt es noch einen weiteren Stolperstein. Bestimmt kennst du das Sprichwort „Aus den Augen aus dem Sinn“. Wir bevorzugen unbewusst Dinge und Menschen, die uns räumlich näher sind. Dabei handelt es sich um eine Urteilsverzerrung. Der Effekt der räumlichen Nähe, auch unter dem Begriff Proximity Bias bekannt. Sei dir dieses psychologischen Phänomens bewusst und achte auf Ausgleich.

Du solltest weiterhin für ausreichend sozialen Austausch sorgen und dabei auch den Einzelnen mit seinen individuellen Bedürfnissen weiterhin im Blick behalten.

5. Kommuniziert achtsamer

Jeder kennt es. Nervige E-Mail-Korrespondenz, die wie eine Chat-Konversation im Sekundentakt hin- und hergeschickt wird. Endlos lange Chat-Verläufe mit mehr Fragen als Antworten. Ein kurzer Telefonanruf hätte das Problem viel schneller aus der Welt geschafft und Missverständnisse vermieden.

Es ist wichtig, darüber zu sprechen, wie und wann ihr synchrone und asynchrone Kommunikation einsetzen wollt. Welche Reaktionszeit empfinden die einzelnen Teammitglieder als angemessen? Wann schreibt ihr E-Mails, wofür benutzt ihr den Chat? Wann ist der Griff zum Telefonhörer die bessere Wahl? In welchen Fällen ist eine Videokonferenz nötig?

Denke immer daran, dass auf der anderen Seite ein Mensch mit Emotionen und Reaktionen sitzt. Ein Mensch, der ganz individuellen Herausforderungen hat. Setze niemals den gleichen Kontext voraus, sondern kommuniziere lieber überklar und überdeutlich. Vermeide Interpretationen und frage im Zweifel lieber nach, wie genau etwas gemeint ist. Und gehe davon aus, dass die anderen stets in guter Absicht handeln.

6. Fördere Verbundenheit und Teamgeist

Vermeide eine 2-Klassengesellschaft und schau, wie du Ausgleich schaffen kannst, damit die Verbindung zwischen den Kollegen, die vor Ort und mobil arbeiten, nicht abreißt. Überleg dir gut, wie du Besprechungen aufsetzt, Informationen bereitstellst und welche Kommunikationskanäle du bedienst. Wenn nicht alle Beteiligten im selben Raum zusammenkommen können, ist es besser, wenn du Meetings grundsätzlich als Videokonferenz aufsetzt. Du minimierst somit unangenehme Störungen durch Nebengespräche und Irritationen durch nonverbale Kommunikation vereinzelter Kollegen vor Ort.

Biete außerdem ausreichend Raum und die Erlaubnis für informellen Austausch – auch ohne deine Anwesenheit. Wichtig ist jedoch, dass die Teilnahme freiwillig bleibt. Jeder wird herzlich eingeladen. Aber niemand wird gezwungen oder gedrängt.

Fange heute damit an

Eine neue Kultur entsteht nicht von heute auf morgen. Startet mit dem, was ihr habt und entwickelt euch Schritt für Schritt weiter. Erlaubt euch Experimente. Bleibt im Austausch. Du wirst neue Seiten und Stärken entdecken – bei deinen Teammitgliedern und auch bei dir selbst.

Über die Autorin

Eike ist selbstständige Beraterin und Gründerin von Du & dein Team.

Sie unterstützt Team- und Projektleitende dabei, die Zusammenarbeit in ihren Teams so zu gestalten, dass sie künftig mit weniger Aufwand bessere Ergebnisse erzielen können.

In ihrer Freizeit trifft man sie draußen in der Natur oder beim Sport – am liebsten in geselliger Runde mit Gleichgesinnten.

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Hallo, ich bin Eike

Ich bin selbstständige Beraterin und Gründerin von Du & dein Team.

Auf diesem Blog teile ich mein Wissen und meine Erfahrungen rund um die Themen Teamentwicklung, virtuelle Zusammenarbeit, Gruppendynamik und Mindset.